Vor 70 Jahren standen sich die Stadtrivalen VfL und TuS Güldenstern Stade zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg gegenüber. Das TAGEBLATT blickt zurück auf die Historie dieses besonderen Derbys.

So berichtete das TAGEBLATT am 24. Februar 1975 (links) und 28. November 1949 über das Stader Stadtderby. Montage Finnern

Von Nico Möller

Einer der Spieler mit der größten Derbyerfahrung ist Manfred Drechsel, der von 1967 bis 1984 Ligaspieler des TuS Güldenstern Stade war. „Schon als kleiner Junge war es immer ein Höhepunkt, wenn ich mit meinem Vater zum Fußball gefahren bin und wir ein Derby gegen den VfL gesehen haben.“ Drechsel ist beinahe sein ganzes Leben im Verein und inzwischen ein Urgestein. An seine aktive Zeit erinnert er sich noch genau: „Als Spieler schlief man schon eine Woche vor dem Derby nicht mehr richtig. Wir konnten jedes Spiel verlieren, nur kein Derby.“ Die Spiele seien vor allem von Leidenschaft und Atmosphäre geprägt gewesen. Das Schönste war, den Derbysieg in der Gaststätte zu feiern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg standen sich die Rivalen aus Stade 70 Jahre lang gegenüber und kämpften von der damaligen zweiten bis zur heutigen siebten Liga gegeneinander. Seit jeher zieht das Derby Spieler, Zuschauer und Funktionäre in seinen Bann und steht im Landkreis Stade für ein Stück Sportgeschichte. Es gibt viele Beispiele für spannende, hochklassige und emotionale Begegnungen, teilweise vor mehreren Tausend Menschen.

Bereits in der ersten Saison nach dem Zweiten Weltkrieg 1946/47 trafen die beiden Stader Vereine in der 1. Klasse Hamburg Staffel Süd aufeinander. Der VfL Stade feierte in dieser Spielzeit die Meisterschaft und den Aufstieg in die Hamburger Verbandsliga. 1945 meldeten der VfL und TuS Güldenstern ihre ersten Mannschaften für den Hamburger Fußballverband. Erst 1990 schloss sich Güldenstern dem Niedersächsischen Fußballverband an, der VfL folgte 1992.

Erstes dokumentiertes Stadtderby im Jahr 1949

In der Saison 1948/49 schaffte der TuS Güldenstern dann den Sprung in die damals zweithöchste Spielklasse, der Amateurliga Hamburg. So kam es am 27. November 1949 zum ersten vom TAGEBLATT dokumentierten Stadtderby, das die Rot-Schwarzen vom TuS Güldenstern vor 4500 Zuschauern mit 5:2 für sich entschieden (siehe Berichte unten).

Bis zum Ende der 50er Jahre duellierten sich die Vereine in der Amateurliga Hamburg und erzielten 1953 das beste Stader Gesamtergebnis. Der VfL belegte den fünften Tabellenplatz und der TuS Güldenstern qualifizierte sich durch den dritten Platz sogar für die Deutsche Amateurmeisterschaft, bei der sie in einem Vorspiel zur Deutschen Meisterschaft vor 25 000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion spielten – Rekord für eine Mannschaft aus dem Landkreis Stade. In den beiden Ortsderbys setzte sich Güldenstern damals knapp mit 1:0 durch.

In den 60er und 70er Jahren trafen die beiden Stader Clubs vorwiegend in der vierten Liga aufeinander. 1975 gelangen dem VfL Stade die Meisterschaft und der Aufstieg in die Landesliga Hamburg. Beim 1:1 vor 2700 Zuschauern auf der Camper Höhe machte auch Mittelfeldstratege Manfred Drechsel ein starkes Spiel für den TuS Güldenstern. 1979 wurde der VfL erstmalig Hamburger Meister, verpasste in der Aufstiegsrunde jedoch den Sprung in die Amateur-Oberliga.

Während der TuS in den 80ern zwischenzeitlich bis in die Bezirksliga abrutschte, gelang dem VfL 1989/90 ein großer Coup, er wurde in seiner vermutlich besten Saison ungeschlagen Hamburger Meister. In der anschließenden Aufstiegsrunde zur Amateur-Oberliga gelang wiederum ungeschlagen der Aufstieg in die damalige dritte Liga.

„Diese Spiele waren immer besonders“

Einer der überragenden Akteure beim VfL war Dirk Dammann, der nach der Saison zum FC St. Pauli wechselte und für den Kiezclub insgesamt neun Jahre in der 1. und 2. Bundesliga spielte. Im Jahr 2001 kehrte er zum VfL Stade zurück. In der Zwischenzeit entwickelten sich die beiden Vereine in gegensätzliche Richtungen. Während der VfL vier Mal nacheinander abstieg und sich Ende der 90er in der Bezirksliga wiederfand, gelang Güldenstern der Sprung in die Niedersachsenliga. Ab 1999 trafen die Stadtrivalen dann wieder in der Landesliga Lüneburg aufeinander.

Dammann erinnert sich an die Derbys mit dem TuS Güldenstern: „Diese Spiele waren immer besonders, vor allem wegen der Kulisse. Das Zuschauerinteresse war enorm hoch und einige Spiele mussten wegen des Andrangs sogar verspätet angepfiffen werden.“ Dammann beendete 2007 seine Karriere in Stade und erlebte beim VfL viele Höhepunkte. „In der Saison 2001/02 stiegen wir in die Niedersachsenliga auf und spielten im Derby vor weit über 1000 Zuschauern.“ Dennoch merkt er an, dass man eine Saison nicht mit einem Spiel gewinnt oder verliert, sei es auch ein Derby.

Eine weitere historische Partie, an der auch VfL-Spielertrainer Dirk Dammann beteiligt war, ereignete sich 2006. Der freie TAGEBLATT-Journalist und ehemalige Schiedsrichter Dieter Albrecht war vor Ort: „Am letzten Spieltag war Güldensterns Aufstieg so gut wie sicher, da das Torverhältnis um mehr als 20 Tore besser war als beim Konkurrenten aus Lüneburg. Der VfL hingegen musste das Spiel gewinnen, um die Klasse zu halten.“ Das für den VfL so wichtige Spiel sei in erster Linie von Spannung und Emotionen geprägt gewesen. „Güldenstern hätte dem Stadtrivalen helfen können, zeigte aber keine Gnade und schoss den VfL mit dem 3:2 in die Bezirksliga.“ Dass Güldenstern dem VfL nichts schenkte, belegt die Aussage vom damaligen Trainer Martin König nach dem Spiel: „Mehrere Spieler waren angeschlagen, haben sich aber durchgebissen.“

Am 20. Mai 2016 traten der VfL und Güldenstern, inzwischen in der Bezirksliga, ein letztes Mal gegeneinander an. Vor rund 400 Zuschauern holte der TuS Güldenstern mit 5:0 einen historischen Sieg. Einige Wochen später war die Derbyhistorie vorerst beendet: Beide Vereine verschmolzen zum VfL Güldenstern Stade und treten seitdem gemeinsam in der Bezirksliga Lüneburg an. Trainer wird in der kommenden Saison einer, der sich mit dem Stadtderby hervorragend auskennt: Dirk Dammann.

Das Stader Stadtderby: Vier denkwürdige Begegnungen

1949: Ritzmann in Torlaune

Vor rekordverdächtigen 4500 Zuschauern kommt es im November 1949 zu einem hochklassigen Lokalderby, das laut TAGEBLATT an „Farbigkeit, Kampfgeist und sportlichem Können“ nichts zu wünschen übrig ließ. Bereits nach wenigen Sekunden gibt es einen Strafstoß für Güldenstern, Christ läuft an und verwandelt sicher. Doch nur kurz nach dem anschließenden Anstoß trifft Rohrschneider zum Ausgleich für den VfL. Nach zwei Minuten steht es 1:1 und das Stadion Köhnshöhe tobt. Beide Mannschaften spielen mit Volldampf nach vorne. Trotz zum Teil guter Chancen für den VfL ist Güldenstern spielbestimmend. So ist es Ritzmann, der den Spielstand mit einem Doppelpack vor der Pause auf 3:1 schraubt. Obwohl der VfL nicht locker lässt, markiert erneut Ritzmann mit seinem dritten Treffer das 4:1 für Güldenstern. Der VfL kommt durch Lorberg zum Anschlusstreffer und wirft alles nach vorne. Doch der TuS wehrt die Angriffe ab und greift selber noch mal an. Ritzmann, der beste Spieler des Spiels, legt sauber für Fischer vor, das 5:2.

1975: Güldenstern mit Kampfkraft

Im Aufstiegsjahr des VfL kommt es erneut zum Aufeinandertreffen vor großer Kulisse. Beim Topspiel Erster gegen Vierter strömen 2700 Besucher auf die Camper Höhe, eine Zuschauerzahl, von der manche Vereine der damaligen 2. Bundesliga nur träumen können. Bereits in der dritten Spielminute bricht großer Jubel aus, als Rechtsaußen Bernhard Otto den TuS mit 1:0 in Führung schießt. Nach hektischem Beginn stabilisiert sich auch der VfL und gleicht in der 21. Minute mit einem Traumtor aus. Aus 17 Metern Torentfernung setzt Frank Schembacher die Kugel direkt in den Winkel des TuS-Gehäuses. Nach der Pause ist der VfL spielbestimmend und kommt in der 61. Spielminute durch Pagels zu einem Pfostentreffer. Nach der Drangphase zu Beginn der zweiten Hälfte geht dem VfL nach und nach die Luft aus, auch weil Güldenstern mit großer Kampfkraft dagegenhält. Trotz einer letzten guten Chance durch Großkopf acht Minuten vor Spielende kommt der Tabellenführer VfL Stade nicht mehr zum Torerfolg und muss sich mit dem 1:1 zufriedengeben.

2006: Duell um den Klassenerhalt

Nach dem Abstieg des VfL ein Jahr zuvor kommt es am letzten Spieltag 2005/06 zu einem weiteren historischen Stadtderby. Der VfL benötigt zu Hause einen Sieg, um den zweiten Abstieg in Folge zu verhindern. Vor 450 Zuschauern tritt Güldenstern zum ersten und vorerst letzten Mal auf dem Sportgelände in Ottenbeck gegen den VfL an. Der erste Durchgang läuft überhaupt nicht nach dem Geschmack der Heimmannschaft. Nach 23 Minuten bringt Heiko Weber den TuS mit 1:0 in Front. Patrick Klee setzt mit seinem 16. Saisontreffer zum 2:0 in der 38. Minute noch einen drauf. Sein Kopfball landet nach Vorarbeit von Matthias Quadt unhaltbar im Toreck des VfL. In Durchgang zwei geht der VfL volles Risiko und kommt innerhalb von 120 Sekunden zum Ausgleich. In der 58. Minute trifft Frithjof Kramer zum Anschluss, ehe Walerij Hettich zwei Minuten später zum 2:2 ausgleicht. Die Hoffnungen auf den Klassenerhalt werden mit der 77. Minute jedoch zerstört. Nach einem Foul an Quadt verwandelt Mirco Przewloka den fälligen Strafstoß und sorgt für das 3:2.

2016: VfL kassiert herbe Pleite

In der Bezirksliga Lüneburg kommt es am vorletzten Spieltag der Saison 2015/16 zur letzten Begegnung von VfL und TuS Güldenstern Stade. Vor rund 400 Zuschauern holt der TuS Güldenstern auf der heimischen Camper Höhe durch ein 5:0 einen der höchsten Siege der Derbygeschichte. In der ersten Halbzeit bahnt sich diese Deutlichkeit nicht unbedingt an. Erst nach 43 Spielminuten erzielt TuS-Kapitän Christopher Eggers nach einem Foulelfmeter die 1:0-Führung. Mit Beginn des zweiten Durchgangs kommt es dann knüppelhart für den VfL Stade. Chancen im Minutentakt bringen den TuS Güldenstern bereits nach drei Minuten mit 2:0 in Führung. Wiederrum ist es Christopher Eggers, der nach Vorarbeit von Benjamin Fritzenschaft per Kopf einnetzt. Boris Höper trifft nach 54 Minuten per Freistoß zum 3:0, bevor Kevin Speer nur fünf Minuten später mit seinem 37. Saisontor den nächsten Treffer für den TuS erzielt. Mit seinem verwandelten Foulelfmeter markiert Dennis Junge den deutlichen 5:0-Endstand.

Quelle/Bericht: Stader Tageblatt/Tim Scholz

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