Die Stützpunkttrainer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sichten und trainieren talentierte Fußballer in der Region. Nun streicht der DFB den rund 1300 Stützpunkttrainern wegen der Corona-Krise das Honorar von 307 Euro monatlich. Inzwischen rudert der DFB wieder zurück.
Lars Jagemann, Christoffer Schellin, Benjamin Lawes und Thomas Brokelmann sind für den DFB-Stützpunkt Stade verantwortlich. Derzeit trainieren sie 36 Nachwuchskicker am Stützpunkt. Ende April wurde dem Quartett per Videokonferenz und in einem Schreiben mitgeteilt, dass ihr Honorar für den Mai gestrichen wird. „Es ist verständlich, da wir nicht trainieren“, sagt Lars Jagemann, der unter anderem das U 19-Niedersachsenligateam der SV Drochtersen/Assel trainiert. Trainerkollege Thomas Brokelmann war von der Entscheidung nicht überrascht. „Ich habe fast damit gerechnet. Wir sind Honorartrainer und müssen einer Tätigkeit nachkommen.“ Doch der Trainingsbetrieb ruht seit mehreren Wochen.
Die Stützpunkttrainer seien in den vergangenen Wochen jedoch nicht tatenlos gewesen. Neben dem wöchentlichen Training der zwei Trainingsgruppen gehören auch die Vor- und Nachbereitung des Trainings sowie die Sichtung von Talenten bei 20 Spielen pro Saison zu den Aufgaben. „Wir haben genug nebenbei zu tun. Wir entwickeln zuhause Konzepte“, sagt Schellin. Außerdem sind die Trainer im ständigen Kontakt mit den Spielern und Eltern, um auch die persönliche Entwicklung zu unterstützen. „Unser Kerngeschäft ist zwar das Training und die Sichtung, aber es ist auch viel Planung und Koordination“, sagt Benjamin Lawes.
Den Trainern fehlt die Wertschätzung
Zwar können die Stader Stützpunkttrainer die Entscheidung des DFB nachvollziehen, dennoch beklagen sie die Art und Weise. Ihnen fehle die Wertschätzung. „Es ist nicht schön, dass wir vor vollendete Tatsachen gestellt wurden“, sagt Jagemann. So bliebe ein fader Beigeschmack. „Bei anderen Entscheidungen sind wir zuletzt betroffen und jetzt sind wir zuerst dran. Da sehen wir, dass wir am weitesten unten in der Nahrungskette stehen.“ Dennoch werde das Stader Team weiterhin seiner Tätigkeit nachgehen. „Ich mache es nicht wegen des Geldes. Für mich ist es eine Ehre mit den talentiertesten Fußballern der Region zu arbeiten“, sagt Lawes.
An anderen DFB-Stützpunkten entwickelt sich jedoch mehr Widerstand. DFB-Stützpunkttrainer drohen Kündigungen und Klagen an, da es schließlich Verträge gäbe. Da sich zudem im Laufe der Woche die Corona-Beschränkungen für den Trainingsbetrieb geändert haben, rudert der DFB nach TAGEBLATT-Informationen bereits wieder zurück. „Der DFB hat sicherlich nicht geahnt, dass sich die Situation so positiv entwickelt“, sagt Brokelmann. Eine Entscheidung soll jedoch erst am Montag fallen.
Augustin: „Ich finde es moralisch nicht in Ordnung“
Für Bernhard Augustin, der bis zu seiner Rente 2018 zwölf Jahre als DFB-Stützpunktkoordinator tätig war, ist die Entscheidung unabhängig von einem möglichen Revidieren ein falsches Signal: „Es trifft für mich persönlich die Schwächsten. Ich finde es moralisch nicht in Ordnung“, sagt Augustin, „so habe ich den DFB in meiner Tätigkeit nicht kennengelernt.“ Immerhin ist der DFB mit einem Jahresetat von 400 Millionen Euro der größte Sportfachverband der Welt. Die durch die Honorarstreichung eingesparten 400 000 Euro pro Monat fielen laut Augustin da kaum ins Gewicht. „Der DFB würde davon nicht in die Knie gehen. Er ist finanziell abgesichert.“
Wenn der DFB schon Einsparungen vornehmen muss, hätten diese an anderer Stelle erfolgen müssen. „Wenn Joachim Löw oder Oliver Bierhoff nur auf zehn Prozent ihres Gehaltes verzichtet hätten, wäre es dasselbe gewesen. Davon habe ich aber nichts gehört“, sagt Augustin. So könnte sich der Verband weiter von der Basis entfernen. Dies dürfe jedoch nicht passieren. „Ohne die Basis wird es nicht funktionieren. 60 Prozent der Spieler in den Nachwuchsleistungszentren kommen von den DFB-Stützpunkten. Wo sollen sie dann herkommen?“, fragt sich Augustin.
DFB-Stützpunkte
Der DFB strukturierte nach dem enttäuschenden Vorrunden-Aus der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft 2000 seine Talentförderung um. Unter dem damaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder wurden 2002 bundesweit die DFB-Stützpunkte eingeführt. An den insgesamt 366 Stützpunkten trainieren rund 1 300 DFB-Stützpunkttrainer talentierte Fußballer zwischen 12 und 15 Jahren. Einmal pro Woche trainieren die Nachwuchskicker an ihrem jeweiligen DFB-Stützpunkt. In Niedersachsen gibt es aktuell 36 DFB-Stützpunkte. Bei Sichtungsturnieren können sich die Spieler für Vereine mit Nachwuchsleistungszentrum wir der VfL Wolfsburg oder Hannover 96 oder die Niedersachsen-Auswahl empfehlen. Mit diesem System soll jedem Fußballer die optimale Talentförderung ermöglicht werden.
Quelle: Stader Tageblatt / von Lukas Reineke