[su_highlight background=“#015ed6″ color=“#ffffff“]Von Tim Scholz[/su_highlight]
LANDKREIS. Panini hat es jahrzehntelang in großem Stil vorgemacht, jetzt legen auch immer mehr kleine Sportvereine eigene Stickeralben vor. Der VfL Güldenstern Stade und der Buxtehuder SV sind nur zwei aktuelle Beispiele. Dem Trend auf der Spur.
Über zwei Wochen hinweg stand Jörg Struwe mit seiner Fotoausrüstung jeden Tag auf dem Fußballplatz. In der ersten Woche auf dem Gelände in Stade-Ottenbeck, in der zweiten Woche auf der Camper Höhe. Dann war alles im Kasten, fast alles: Struwe wollte jeden Nachwuchsfußballer des VfL Güldenstern Stade im Porträt fotografieren. Letztlich fehlte nur eine der 39 Kinder- und Jugendmannschaften. „Ich habe mich trotzdem ein bisschen geärgert“, sagt der Vereinsfotograf. Das war vor zwei Monaten.
VfL Güldenstern Stade auf Klebebildchen
Ende September hält Jörg Struwe das Ergebnis dieses Mammutprojektes in der Hand: ein hundertseitiges Stickeralbum, in dem exakt 734 Klebebildchen Platz haben. Bloß zieren nicht die Gesichter von Superstars wie Messi und Ronaldo die Sticker, die Stars heißen Norwin, Serkan und Oliver und spielen in der U 7, U 13 und U 14 des VfL Güldenstern Stade. Die Nachwuchskicker können die eigenen Sticker und die ihrer Mitspieler nun sammeln, tauschen und einkleben. „Wir hoffen, dass wir viele Leute damit begeistern können“, sagt Struwe.
Das Panini-Feeling kommt in die Amateur-Sportvereine. Der VfL Güldenstern Stade folgt Vereinen wie dem TuS Jork, TVV Neu Wulmstorf, TuS Harsefeld und der SV Drochtersen/Assel. Diese haben in den vergangenen anderthalb Jahren ihre eigenen Stickeralben präsentiert, genauso wie vor wenigen Tagen erst die Handballabteilung des Buxtehuder SV. Genaue Zahlen über das Ausmaß des Sammelfiebers gibt es nicht.
Bundesweit aber lassen sich immer mehr Vereine mit Stickeralben ausstatten. Das teilen junge Unternehmen auf TAGEBLATT-Nachfrage mit, die sich „Stickerstars“ und „Stickerfreunde“ nennen und die Projekte der Amateurvereine betreuen. Die Vereine und Spieler, sagte Stickerstars-Gründer Aike Fiedler in einem Interview, bekommen so „den Ruhm und die Aufmerksamkeit, die sie verdienen“. Unabhängig von der Spielklasse. Auch den VfL Güldenstern Stade hat das Berliner Unternehmen unter seine Fittiche genommen. Wer mit Mirko Lauterbach, Leiter Prozessmanagement, spricht, erfährt, dass dies bisher das größte Stickerstars-Projekt gewesen sei.
Auch der BSV ist dabei
Das Album des BSV ist eine Nummer kleiner – mit mehr als 300 Stickern aller Handballer von den „Minis“ bis zur Bundesliga-Mannschaft. Marketingchef Thorsten Sundermann spricht von einer „spaßigen Aktion“, die das „Abteilungsleben“ fördere und den Zusammenhalt stärke. „Wir hatten mehrfach Anfragen bekommen“, sagt Sundermann, „gescheitert ist das Projekt bisher aber am Aufwand.“ Der Verein muss Fototermine organisieren, das Einverständnis der Eltern einholen und Texte für das Album schreiben. Letztlich arbeitete der Verein mit Stickerfreunde zusammen.
Diese Unternehmen erledigen den Großteil der Arbeit. Auf ihren Internetseiten werben sie mit dem Komplettpaket: Beratung, Gestaltung, Werbung, Produktion, Kick-off-Party. Die Kosten trägt nicht der Verein, sondern in der Regel ein Supermarkt aus dessen Umfeld. So auch im Fall VfL Güldenstern. Mehr als einen Monat lang sind die Alben und Stickertüten in den Edeka-Märkten von Jens Foltmer in Stade erhältlich, auch Tauschbörsen sind geplant. Foltmer möchte auf der einen Seite den Verein unterstützen – aus „regionaler Verbundenheit“, sagt er. Die Einnahmen aus dem Stickerverkauf kommen dann der Jugendabteilung des VfL Güldenstern zugute.
Auf der anderen Seite hofft Foltmer auf einen wirtschaftlichen Effekt durch neue Kundschaft in seinen Märkten. Die Finanzierung eines Projektes steht und fällt also mit der Bereitschaft der Supermärkte, die Kosten zu tragen. Weitere Gelder können über Anzeigen im Stickeralbum generiert werden. Im Fall des BSV konnte der Marktkauf-Center in Buxtehude als Partner gewonnen werden. Der Verein partizipiert durch eine Spende an den Einnahmen.
Wachsender Markt
Die Sticker-Unternehmen bewegen sich auf einem wachsenden Markt. Stickerfreunde zum Beispiel hat in den vergangenen zwei Jahren 160 Vereine mit Alben ausgestattet – Tendenz steigend. Stickerstars, der größte Spieler auf dem Markt, spricht von der gleichen Entwicklung. Dort ist die Rede von 300 Projekten in den letzten fünf Jahren. „Wir sehen uns nicht als Mitbewerber oder Wettbewerber, sondern eher als Marktbegleiter, da der Markt nicht zu sättigen ist“, sagt der Gesellschafter und Geschäftsführer der Marke Stickerfreunde, Alexander Kroeze. In Deutschland gibt es etwa 90 000 Sportvereine. Man kommt sich kaum in die Quere.
Was die Vereine davon haben, zeigt das Beispiel TVV Neu Wulmstorf. Dieser legte im April 2016 als erster Verein aus der Region ein eigenes Album für knapp 500 Sticker vor. Ein voller Erfolg. „Wir haben fast 22.500 Sammelbilder verkauft“, sagte Initiatorin Nicola Haar. Gesammelt hätten Jung und Alt, und bei den Tauschbörsen seien Oma und Opa gekommen, um die richtigen Bilder für ihre Enkel zu ergattern. Auch die erwachsenen Fußballer waren eifrig am Sammeln, teilweise eifriger als der Nachwuchs. Ob die Aktion zu einem Mitgliederzuwachs geführt hat, kann die Initiatorin nicht sagen.
TSV Eintracht Immenbeck-Album kommt 2018
Die nächsten Vereine stehen bereits in den Startlöchern. Im Frühjahr 2018 bringt die Fußballabteilung des TSV Eintracht Immenbeck ihr eigenes Album in Zusammenarbeit mit Stickerfreunde und dem Sky-Center in Buxtehude heraus. Das Fotoshooting für die Sticker findet bald statt, sagt Robert Gundlack, der das Projekt mit Alexander Weser auf TSV-Seite betreut. Geplant ist ein Album mit rund 500 Stickern aller Fußballer, Vorstandsmitglieder, Ehrenamtlichen, Sponsoren und Edelfans. Gundlack ist sicher, dass das gute Werbung für den Verein sei.
Jörg Struwe spricht wenige Tage nach dem Start der Aktion bereits von einem „Sammel-Hype“ in und um Stade. Zum Start der Aktion vor einer Woche wurden an die 400 Alben und 1000 Stickertütchen in wenigen Minuten verkauf. Und am Abend hatten einige Eltern schon die ersten Tauschgruppen per WhatsApp eingerichtet. Das Sammelfieber hat den Landkreis erreicht.